Nachweis des Aal-Herpesvirus (Anguillid Herpesvirus 1, AngHV-1) beim Europäischen Aal in Sachsen

 

Anfang August 2018 sandte der Fischgesundheitsdienst der Sächsischen Tierseuchenkasse an die Landesuntersuchungsanstalt Sachsen, Standort Dresden, Probenmaterial eines Aales zur Untersuchung ein, welcher in einer Talsperre verendet aufgefunden worden war.


Dabei sollte der Frage nachgegangen werden, ob eine eventuelle Beteiligung von Infektionserregern, insbesondere viraler Erreger, vorlag. Zunächst wurde  eine elektronenmikroskopische Untersuchung von Organproben zum Erregernachweis eingeleitet. Mittels dieser Methodik, die eine Darstellung auch kleinster Objekte auf Organen ermöglicht, konnten im vorliegenden Fall Herpesviruspartikel (Abb.1) anhand ihrer Gestalt identifiziert werden, die den elektronenmikroskopischen Befund einer Herpesvirusinfektion zweifelsfrei zuließen.

Abbildung. 1: Herpesvirus, Aal (intaktes Viruspartikel)

Um das nachgewiesene Herpesvirus näher zu typisieren, waren jedoch weitere Untersuchungen erforderlich. Hierbei kam eine molekularbiologische Methode zum Nachweis spezifischer Erbgut (Genom) -anteile in Form der Polymerase Kettenreaktion (PCR) zum Einsatz.

Diese moderne molekulare Methode ist heutzutage eine routinemäßig verwendete Standardmethode in der veterinärmedizinischen Erregerdiagnostik. Da an der LUA Sachsen keine Methode für den spezifischen Nachweis von Aal-Herpesviren (Anguillid Herpesvirus 1, AngHV-1) zur Verfügung stand, wurde zuerst eine Herpesvirus Consensus PCR durchgeführt, welche in der Lage ist, eine Vielzahl verschiedener Herpesviren anhand ihres Erbguts nachzuweisen.

Mit dieser eingesetzten Methode konnte bei den Organproben ein für Herpesviren spezifisches Erbgutfragment vervielfältigt (Abbildung 2) und somit das Ergebnis des elektronmikroskopischen Nachweises molekular bestätigt werden.

Die darüber hinaus durchgeführte Sequenzierung zur weiteren Entschlüsselung des nachgewiesenen Erbgutes und ein Vergleich der erhaltenen Ergebnisse mit einer Datenbank für Sequenzdaten, der sogenannten Genbank, bestätigte, dass es sich bei dem nachgewiesenen Herpesvirus um das Aal-Herpesvirus - Anguilla Herpesvirus 1 (AngHV-1) handelte (nicht dargestellt). Somit konnte in Sachsen die Infektion eines Aals mit diesem Erreger erstmalig lückenlos abgeklärt und bestätigt werden.

Abbildung  2: Nachweis von Herpesvirus-spezifischen Erbgutes in der Organprobe und Sichtbarmachung mittel Agarose-Gelelektrophorese

Infektionen mit dem Aal-Herpesvirus kommen in Aquakulturanlagen in Deutschland immer wieder vor (LfL 2013, Kullmann et al., 2017). Die klinischen Symptome dieser Infektion variieren von Ausbruch zu Ausbruch sowie von Fall zu Fall und äußern sich überwiegend in vermindertem Reaktionsvermögen, Blutungen und tieferliegenden leichten Wunden auf der Haut und Flossen sowie Kiemenepithelschwellung (Abb. 3a & 3b). Unter bestimmten Umständen können dabei Verluste von bis zu 60% auftreten (Haenen et al., 2002; Lehmann et. al., 2005; LfL, 2013). Obwohl die Erkrankung grundsätzlich bekannt und jetzt auch der Nachweis erfolgt ist, ist die Bedeutung bzw. die Ausbreitung dieser Virusinfektion bei Aalen in Sachsen bislang nicht bekannt. Aus diesem Grund wurde an der LUA Sachsen für weitere Abklärungsuntersuchungen eine AngHV-1-spezifische PCR etabliert, die zur weiteren Verwendung und Diagnostik zur Verfügung steht.

Die Bestände des europäischen Aals haben sich in den vergangenen Jahrzehnten drastisch reduziert. Als Gründe für den Rückgang werden neben der Überfischung, Schäden durch Kormorane sowie Turbinen von Wasserkraftwerken auch Infektionserreger vermutet (ICES, 2017). 

Weiterhin wurde auch in den letzten Jahrzehnten festgestellt, dass mehrere schwere Krankheitsausbrüche bei Wild- und Zuchtfischen in Zusammenhang mit Herpesvirus-Infektionen stehen. In vielen der wichtigsten Aquakulturarten wie Karpfen, Lachs, Wels, Stör und Aal wurden Herpesviren identifiziert (Hanson et al., 2011).

Auch aus gezüchteten europäischen und japanischen Aalen (Aal canonica) in Japan konnte das Aalherpesvirus isoliert werden (Sano et al., 1990). Ergebnisse verschiedener Untersuchungen deuten darauf hin, dass asiatische und europäische Aal-Herpesvirusisolate als ein einheitlicher Virusstamm betrachtet werden können (Walzte et al., 2009), welcher als Anguilla-Herpesvirus 1 (AngHV1) bezeichnet wird.

 

Abbildung 4: Vorkommen  von Aal  in Sachsen. Nachweise nach (rot) und vor (gelb) 2005, Quelle: Sächsische Fischdatenbank SaFiDB

 

Abbildung 3b: Pockenartige Veränderungen der Haut, die vermutlich auf Aal-Herpesvirus-Infektion zurückzuführen sind  (Quelle: Lehmann et. al., 2005)

Das Aal-Herpesvirus wird zunehmend mit Verlusten von Aalen, auch in Wildfischbeständen, in Verbindung gebracht (Kemptner et al., 2014; Kullmann et al., 2017). Dies könnte die aus verschiedenen Gründen ohnehin beunruhigende Bestandssituation des europäischen Aals (ICES, 2017; WWF, 2017) weiter verschärfen.

Zur schnellen Verbreitung von Krankheiten und Krankheitserregern trägt zunehmend der weltweite Handel und Transport von Fischen bei. Daher sollte die Überwachung des Gesundheitszustands von Aalen unter Einbeziehung von Infektionserregern besondere Aufmerksamkeit erhalten. Entsprechend dem vorliegenden Beispiel, in dem der Herpesvirusnachweis elektronenmikroskopisch und nachfolgend der Genomnachweis von AngHV-1 mithilfe der PCR-Methode mit einer hohen Empfindlichkeit erbracht wurde, halten sich die Laborkosten in einem vertretbaren Rahmen. Der Status-quo des Europäischen Aals in Sachsen ist leider bisher nicht ausreichend erkundet. Während beispielsweise die Infektion mit dem Schwimmblasennematoden Anguillicola crassus in Sachsen flächendeckend zu sein scheint (LfULG, 2016), belegt der positive Nachweis zwar das Vorkommen von AngHV-1 in sächsischen Gewässern, genauere Daten liegen jedoch nicht vor (Abb.4).

Abbildung 4: Vorkommen  von Aal  in Sachsen. Nachweise nach (rot) und vor (gelb) 2005, Quelle: Sächsische Fischdatenbank SaFiDB

 

Über das Vorhandensein möglicher Vektoren (Überträger) für AngHV-1 in offenen Gewässern, welche die Übertragung von Viren in die natürliche Umgebung bewirken können, liegen jedoch keine Informationen vor. In Anbetracht der Tatsache, dass in den letzten Jahren eine vermehrte Aalsterblichkeit in Europa beobachtet wurde (WWF, 2017), sollte die virologische Untersuchung sowohl bei Verlustgeschehen als auch bei der Überwachung von Beständen mit einbezogen werden.

Die enge Zusammenarbeit zwischen dem Fischgesundheitsdienst und der LUA Sachsen bietet den sächsischen Beständen und Anglerverbänden die Möglichkeit einer qualifizierten Beratung bzw. Abklärungen der Krankheitsursachen an. Auf Grund dessen empfehlen wir, nach vorheriger Absprache mit dem Fischgesundheitsdienst, verendet aufgefundene Aale labordiagnostisch untersuchen zu lassen.

Die Literatur zum Beitrag ist beim Autor erhältlich


Text: Dr. Aemero Muluneh, Fachtierarzt für Virologie, Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen Sachsen Veterinärmedizinische Diagnostik, Dresden

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