Jahresbericht 2014 - page 16

9 . A r b e i t s b e r i c h t d e s P f e r d e g e s u n d h e i t s d i e n s t e s
Pferd
aber in einem bestimmten Bereich halten und
scheidet deshalb das Hormon Insulin aus der
Bauchspeicheldrüse aus. Mit Hilfe des Insu-
lins wird der Blutzucker in die Organe sowie
das Fettgewebe eingelagert. Die zuneh-
menden Fettspeicher produzieren ab einem
gewissen Punkt allerdings selber hormonähn-
liche Substanzen, die der Wirkung des Insulin
entgegenstehen. Dieses kann seine Wirkung
nicht mehr entfalten, was als Insulinresistenz
(IR) bezeichnet wird. Hinzu kommt, dass bei
betroffenen Pferden auf Grund einer einge-
schränkten Wirkung des Hormons Leptin kein
entsprechendes Sättigungsgefühl einsetzt.
Das EMS wird meist in einem Alter von 8 - 20
Jahren erkennbar. Anzeichen sind Fresssucht,
Leistungseinbruch, Gewichtszunahme trotz
bereits kalorienarmer Fütterung sowie die Bil-
dung typischer Fettdepots an Mähnenkamm,
Widerrist, Lendenbereich, Schweifansatz und
Schlauch.
Ein EMS kann im schlimmsten Falle auch eine
Hufreheerkrankung begünstigen.
Die
Hufrehe
ist eine diffuse Entzündung
der Huflederhaut verbunden mit erheblichen
Schmerzen. Als weitere Auslöser einer Hufre-
he gelten Überbelastung, Bakteriengifte, Füt-
terungsfehler und bestimmte Pilze (z. B. Endo-
phyten) sowie Pflanzen (z. B. Klee). Besonders
im Fokus stehen Zuckerstoffe im Gras (z. B.
Fruktane), deren Gehalt von verschiedenen
Faktoren abhängig ist (geographische Lage,
Bodenqualität, Klima, Tageslicht, Grasarten,
Jahreszeit). Sehr hoch ist der Zuckergehalt
im Gras, wenn es schnell wächst und saftig
ist und wenn es im Herbst in die Winterruhe
übergeht. Dabei sind warme, sonnige Tage
und kalte Nächte mit Temperaruten nahe dem
Gefrierpunkt besonders gefährlich.
Bei Auftreten der oben genannten
Sym-
ptome
sollte zusätzlich eine Laboruntersu-
chung stattfinden, um ein mögliches EMS
abzuklären. Dafür stehen die normale Blutun-
tersuchung und spezielle Stimulationstests
zur Verfügung. Hierzu sollten Sie sich von
Ihrem Hoftierarzt beraten lassen.
Das EMS ähnelt dem Equinen Cushing Syn-
drom sowie einer Schilddrüsenunterfunktion.
Alle diese Erkrankungen lassen sich teilweise
sehr schlecht voneinander abgrenzen bzw.
begünstigen sich gegenseitig.
Die
Behandlung
des EMS besteht in einer
Gewichtsreduktion und einer Verbesserung
der Insulinempfindlichkeit. Dabei steht die
Reduktion der Kohlenhydrate in der täglichen
Ration im Vordergrund. Dies kann erreicht
werden, in dem der Weidegang eingeschränkt
wird und/oder die Pferde nur noch mit einem
Fressmaulkorb auf die Koppel kommen. Im
Extremfall bzw. bei Reheanfälligkeit muss
komplett auf Weidegang verzichtet werden.
Die Tiere kommen dann in Ausläufe ohne
Gras und werden mit zuckerarmem Heu (z. B.
Vermehrungsheu), Stroh und Vitaminen sowie
Mineralien versorgt. Um den Zuckergehalt
zu reduzieren, empfiehlt es sich, das Heu
vor Verfütterung mindestens 30 Minuten zu
wässern. Die Mineralstoffversorgung wird
am besten über individuelle Zuteilung oder
Mineralleckschalen realisiert. Mineralleck-
steine sind oft nicht ausreichend.
Zusätzlich zur Futterrestriktion muss auf eine
regelmäßige Bewegung der Pferde geachtet
werden. Diese sollte mindestens 20 Minuten
täglich umfassen.
Die wirksamste
Prophylaxe
ist die Vermei-
dung von Übergewicht, insbesondere auch
schon in der Aufzuchtphase. Das Gewicht der
Tiere sollte regelmäßig objektiv eingeschätzt
werden. Dabei werden die Fettauflagen am
Kamm, über den Rippen sowie am Schweifan-
satz beurteilt. Die Kammfettdicke ist mess-
bar. Wenn das Pferd den Kopf auf dem Boden
hat, bezeichnet sie die Spanne zwischen obe-
rem Nackenbandrand und Mähnenansatz. Als
idealer Ernährungszustand für Freizeitpferde
gilt, wenn die Rippen angedeutet erkennbar
sind, die Kammfettdicke 4 – 5,5 cm beträgt
und die Schwanzwirbel am Schweifansatz
schwach mit Fett abgedeckt sind.
Bei Weidehaltung muss darauf geachtet
werden, dass die Tiere nicht bzw. nur einge-
schränkt grasen, wenn das Grünfutter eine
Phase, wie oben erwähnt durchläuft.
Als wichtig und effektiv haben sich auch
jährliche Gesundheitschecks
durch den
Tierarzt erwiesen. Er kann dabei den Ernäh-
rungszustand objektiv einschätzen, den Gang
sowie die Hufe und die Pulsation der Mittel-
fußarterien überprüfen und das Haarkleid
beurteilen. Veränderungen des Haarkleides
können auf ein Equines Cushing Syndrom
hinweisen. Es sollte auch eine Nüchternblut-
probe im Labor untersucht und im Zweifelsfall
ein Stimulationstest angewendet werden.
Durch die Einhaltung der genannten Maßnah-
men kann das Risiko einer Hufreheerkrankung
als fatalste Folge des EMS deutlich reduziert
werden.
Herr Dr. Gerd Lange von der Landwirtschafts-
kammer Hannover erläuterte in seinem Vor-
trag im Rahmen des 2. Treffpunkt Pferdege-
sundheit die
Möglichkeiten und Grenzen
der Bewirtschaftung des Grünlandes als
Futtergrundlage für Pferde
.
Das Pferd ist ein reiner
Grasfresser
und
deshalb von der Futterqualität des Grün-
landes abhängig. Es frisst selektiv und
bevorzugt bestimmte Gräser wie z.B.
Deutsches Weidelgras, Wiesenschwingel,
Rot- und Weißklee und meidet Pflanzen wie
z.B. Sauergräser, Scharfen Hahnenfuß oder
Glatthafer. Allerdings ist es möglich, dass die
von den Pferden gerne gefressenen Gräser
Stoffe enthalten, die in gewissen Mengen
schädlich sein können. So enthält z. B.
Klee
einen hohen Eiweißanteil, der metabolische
Erkrankungen begünstigen kann oder auch
Blausäure und hormonähnliche Substanzen
(Phytöstrogene), welche zu Verätzungen der
Schleimhäute oder Fruchtbarkeitsstörungen
führen können. Im Deutschen Weidelgras
Abb. 2: chronischer Rehehuf
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