Jahresbericht 2015 - page 15

9 . A R B E I T S B E R I C H T D E S P F E R D E G E S U N D H E I T S D I E N S T E S ( P G D )
Pferd
Zusammenhang mit einer Unterversorgung
der Pferde insbesondere mit für die Mus-
kulatur essentiellen Antioxidantien (Selen
und Vitamin E) diskutiert. Darüber hinaus
scheinen energetische Unterversorgung,
Endoparasitenbefall und individuelle Empfind-
lichkeit eine begünstigende Rolle zu spielen.
In mehreren Fällen konnte anhand von Blutun-
tersuchungen ein abgesenkter Selenspiegel
festgestellt werden.
In Blutproben von an Atypischer Weidemyo-
pathie erkrankten Pferden aus Europa wurde
mittlerweile ein Gift (Hypoglycin A) des
Bergahorns nachgewiesen, das überwiegend
in den Keimblättern des Baumes zu finden
ist. Die Gifteinlagerung in die wertvollsten
Pflanzenteile ist Teil einer Abwehrstrategie
der Pflanzen gegenüber Fressfeinden wie dem
Pferd (PD Dr. Aboling). Andere bei uns hei-
mische Ahornarten wie Spitz- und Feldahorn
sollen weniger Gift enthalten. Auch von wei-
teren Pflanzen wie z.B. Kastanien ist bekannt,
dass sie Hypoglycin A bilden können. Zu be-
achten ist, dass die Bergahornbäume erst mit
frühestens 15 Jahren geschlechtsreif werden
und Samenblätter bilden. Darüber hinaus
werden in bestimmten Jahren (sog. Mast-
jahre) besonders viele Samen produziert.
Bei entsprechender Witterung im Herbst mit
niedrigen Temperaturen und Wind fallen die
Samen zu Boden und können von den Pferden
gefressen werden.
Allerdings gibt es auch Pferdehaltungen mit
angrenzenden Bergahornbäumen, auf denen
noch kein Pferd an Weidemyopathie erkrankt
ist. In einer neueren Untersuchung wurden
die Gehalte der Bergahornfrüchte an dem
Gift Hypoglycin A auf betroffenen und nicht
betroffenen Pferdeweiden in der Schweiz
analysiert. Dabei fand man massive Schwan-
kungen bezüglich der Giftgehalte zwischen
den Pflanzen und die Ahornbäume der bislang
nicht betroffenen Weiden hatten zum Teil
die höchsten Konzentrationen an Hypogly-
cin A in ihren Früchten. Das belegt, dass die
Ahornteile nicht der alleinige Auslöser der
Atypischen Weidemyopathie sein können. Es
müssen mehrere Faktoren zusammen spielen.
Im Herbst 2015 wurden dem PGD keine Fälle
von Atypischer Myopathie bekannt, obwohl
die Wetterlage (viele sonnige Tage und kalte
Nächte) ähnlich der mit vielen Fällen war
(2009, 2011, 2013). Zudem hatten nach Beo-
bachtungen des PGD viele Ahornbäume einen
massiven Besatz an Früchten. Der einzige und
möglicherweise entscheidende Unterschied
war die Trockenheit im vergangenen Jahr.
Der Wechsel zwischen warmen Tempera-
turen mit Sonnenschein und relativ kalten
Nächten mit leichtem Bodenfrost könnte
ein entscheidender Faktor in Bezug auf das
Auftreten der Erkrankung darstellen. Von
Schimmelpilzen ist es z.B. bekannt, dass sie
beim wiederholten Wechsel von Gefrieren
und Auftauen stressbedingt vermehrt Gifte
(Mykotoxine) produzieren. Es wurde von
Pferdehaltern beobachtet, dass nach solchen
Nächten das Gras bis auf die Stellen unter
den Bäumen mit Reif bedeckt ist. Dieses Gras
fressen die Pferde erst nach dem Abtauen
und konzentrieren sich wahrscheinlich bis
dahin auf Fressbares unter den Bäumen und
somit auch auf die Ahornfrüchte. Die Vorliebe
der Pferde für Ahornfrüchte ist ebenfalls nach
Beobachtungen von Pferdehaltern individu-
ell sehr unterschiedlich ausgeprägt. In einer
neueren Untersuchung konnte nachgewiesen
werden, dass Stoffwechselprodukte des
Giftes Hypoglycin A der Bergahornfrüchte
sowohl in an Atypischer Weidemyopathie
erkrankten als auch nicht erkrankten Pferden
auf der gleichen Weide gebildet werden. Bei
den betroffenen Tieren waren die Konzen-
trationen allerdings deutlich höher. Das legt
den Schluss nahe, dass die erkrankten Pferde
entweder mehr Gift aufgenommen haben
oder besonders empfindlich reagierten.
Aus Sicht des PGD müssen weitere
krank-
heitsbegünstigende Faktoren
hinzukom-
men, damit die Pferde überhaupt eine ausrei-
chende Menge an Ahornsamen fressen bzw.
auf Grund der aufgenommenen Giftmenge
erkranken oder sterben. Diese Faktoren sind:
» unzureichendes Angebot an gehaltvollem
Weidegras durch fehlende bzw. mangel-
hafte Weidepflege (schmackhafte Gräser
verbissen, Gailstellen)
» unzureichende Zufütterung der Pferde (zu
wenig Raufutter, mindere Qualität des Rau-
futters, wenig schmackhaftes Raufutter)
» unzureichende Versorgung der Pferde mit
wichtigen Aminosäuren, Vitaminen, Mine-
ralstoffen und Spurenelementen
Für viele Pferdehalter ist es selbstverständ-
lich, ihre Tiere auf der Weide zu halten. Diese
Haltungsform erscheint ideal, da die Pferde
frische Luft atmen, Sozialkontakte in der
Herde ausleben, sich nach Belieben bewegen
und Gras fressen können. Hinzu kommt, dass
für die Pferdehalter weniger Arbeit z. B. durch
Wegfall der Stallpflege oder Bewegung der
Tiere anfällt und vermeintlich Kosten beim
Raufutter eingespart werden können. Diesen
Vorteilen der Weidehaltung stehen aber auch
Nachteile gegenüber, die bei Nichtbeachtung
zu Erkrankungen und im Extremfall zum Tod
der Tiere führen können.
Vorbeugung der Atypischen Weide­
myopathie:
» Pferde ab Anfang Oktober nachts aufstallen
und zufüttern
» im Herbst und Frühjahr Koppeln ohne Berg­
ahorn nutzen
» Raufutter und evtl. Getreide zufüttern
» täglich vitaminisiertes Mineralstoffgemisch
(20 - 30 mg Selen pro kg Mineralfutter)
oder Mineralleckmassen (Minerallecksteine
reichen nicht aus!) anbieten
» Selengehalt im Blut überprüfen lassen
» Weidepflege!!!
Der Ernährungszustand des Pferdes –
Beurteilung, Auswirkung auf die
Gesundheit und Möglichkeiten der
Regulation
Entsprechend einer Umfrage unter den
Besitzern von 319 Pferden schätzten diese
ihre Tiere zu 72% als fett und zu 28% als
nicht fett ein. Die Pferde werden in der
heutigen Zeit dick, weil ein Energieüber-
schuss bei gleichzeitigem Bewegungsmangel
(zu wenig Energieverbrauch) besteht. Hinzu
kommen genetische Faktoren wie z.B. die
metabolische Effizienz, die bewirkt, dass es
leichtfuttrige (z.B. Shetlandponys, Haflinger)
und schwerfuttrige Pferderassen (z.B. Vollblü-
ter) gibt. Übergewichtige Pferde haben ein
deutlich erhöhtes Risiko, eine Störung des
Zuckerstoffwechsels (Insulinresistenz) und in
Folge dessen eine Hufrehe zu entwickeln. Die
Hufrehe kann dabei in Schüben verlaufen und
muss nicht immer deutlich zu erkennen sein.
Zur Behebung des Übergewichtes wird eine
Gewichtsreduktion zwischen 1-2% Körper-
masse (KM) pro Woche angestrebt. Dadurch
erreicht man eine deutliche Verbesserung der
Insulinresistenz. Die tägliche Energieaufnahme
muss so reduziert werden, dass die Pferde ma-
ximal 1 - 1,2 kg rohfaserreiches Heu pro 100 kg
Abb. 3: festliegendes Pferd mit atypischer
Myopathie
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1...,5,6,7,8,9,10,11,12,13,14 16,17,18,19,20,21,22,23,24,25,...60
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