Der Tiergesundheitsrechtsakt (Animal Health Law, AHL = Verordnung (EU) 2016/429)
mitsamt seinen zahlreichen Delegierten Verordnungen, Durchführungsverordnungen und Durchführungsbeschlüssen ist ein mehrere Tausend Seiten umfassendes Regelwerk, das das Tierseuchenrecht seit dem 21.4.2021 EU-weit verbindlich regelt.
Einige Teile gelten für Land- und Wassertiere sowie für sonstige Tiere, andere Teile beziehen sich ausschließlich auf Wassertiere (im Sinne der Verordnung Fische, Rundmäuler, im Wasser lebende Weichtiere und Krebstiere). Mit diesem EU-Rechtsrahmen wurden einheitliche Regelungen für die Tierseuchenprophylaxe und -bekämpfung in allen Mitgliedstaaten geschaffen. Gleichzeitig wurde die bis dahin geltende Aquakulturrichtlinie (Richtlinie 2006/88/EG) außer Kraft gesetzt und die nationale Fischseuchenverordnung gilt nur noch insoweit, wie sie dem EU-Recht nicht entgegensteht.
Für die Einteilung der Seuchen wurden fünf Kategorien geschaffen, die die jeweils zu ergreifenden Maßnahmen festlegen.
Kategorie A: Die Tierseuche kommt normalerweise in der EU nicht vor, bei ihrem Nachweis müssen unmittelbare Tilgungsmaßnahmen ergriffen werden.
Kategorie B: Die Tierseuche muss in allen Mitgliedstaaten mit dem Ziel bekämpft werden, sie in der gesamten EU zu tilgen.
Kategorie C: Die Tierseuche ist in einigen EU-Mitgliedstaaten relevant, es müssen Maßnahmen getroffen werden, damit sie sich nicht in seuchenfreie Gebiete oder in Gebiete mit Tilgungsprogramm ausbreitet.
Kategorie D: Die Ausbreitung der Tierseuche mit der Einfuhr in die EU oder durch Handel zwischen EU-Mitgliedstaaten muss durch Maßnahmen verhindert werden.
Kategorie E: Die Seuche muss innerhalb der EU überwacht werden.
Von den 13 im AHL enthaltenen Wassertierseuchen wurden die acht in Sachsen relevanten wie folgt eingeordnet:
Bezeichnung der gelisteten Wassertierseuche |
Fische |
Krebs-tiere |
betreffendes gemeinsames Programm des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt und der Sächsischen Tierseuchenkasse |
Koi-Herpesvirusinfektion (KHV-I) |
E |
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Virale Hämorrhagische Septikämie (VHS) |
C+D+E |
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Infektiöse Hämatopoetische Nekrose (IHN) |
C+D+E |
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Infektiöse Anämie der Lachse (ISA) |
C+D+E |
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Weißpünktchenkrankheit der Krebstiere (WSD) |
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C+D+E |
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Epizootische Hämatopoetische Nekrose (EHN) |
A+D+E |
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Taura-Syndrom |
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A+D+E |
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Yellowhead-Disease |
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A+D+E |
Die jeweiligen empfänglichen Arten sowie die Überträgerarten werden für jede gelistete Wassertierseuche im Anhang der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1882 (Link) aufgeführt.
Das AHL gilt sowohl für wildlebende als auch für gehaltene Wassertiere.
Für Unternehmer (= Personen, die für Tiere verantwortlich sind), die Fische in Aquakultur (= Haltung von Wassertieren) halten, gelten u.a. folgende Bestimmungen:
- Wer Wassertiere hält, ist für deren Gesundheit und eine gute Tierhaltungspraxis verantwortlich, stellt einen verantwortungsvollen Umgang mit Tierarzneimitteln sicher und minimiert das Risiko der Ausbreitung von Seuchen
- Es müssen geeignete Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Gefahren ergriffen werden, Biosicherheitspläne müssen vorgehalten und umgesetzt werden
- Aquakulturbetriebe müssen durch die zuständige Behörde (Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramt im Landratsamt, LÜVA) registriert bzw. zugelassen werden
- Betriebe, die bereits vor Geltungsbeginn des AHL gemäß Fischseuchenverordnung/ Aquakulturrichtlinie registriert oder genehmigt (≙ zugelassen) waren, gelten als gemäß AHL registriert oder zugelassen
- Aufzeichnungspflichten u.a. zu Art und Menge der gehaltenen Tiere (Bestandsregister), zur risikobasierten Tiergesundheitsüberwachung, zu Verbringungen, zu Tierarzneimittelanwendungen, zu den Biosicherheitsmaßnahmen, zu Mortalitäten nach epidemiologischen Einheiten und ggf. eingeleiteten Maßnahmen
- Meldepflichten: Verdacht/Nachweis einer Wassertierseuche der Kategorie A unverzüglich, der Kategorie C oder E sobald wie möglich (innerhalb weniger Werktage) sowie anormale Mortalität an das zuständige LÜVA
Für Seuchen der Kategorie C (z.B. VHS, IHN, WSD) sieht das AHL folgende Kategorisierung der Aquakulturbetriebe (Gesundheitsstatus) vor:
- Seuchenfrei (ersetzt Kategorie I gemäß Aquakulturrichtlinie)
- Teilnahme an einem Tilgungsprogramm zwecks Erlangung der Seuchenfreiheit (ersetzt Kategorien II und IV gemäß Aquakulturrichtlinie)
- Weder seuchenfrei noch unter einem Tilgungsprogramm (fasst Kategorien III und V gemäß Aquakulturrichtlinie zusammen)
- Freiwilliges Überwachungsprogramm für bestimmte Fischseuchen der Kategorie C (keine Infektion bekannt, ersetzt Kategorie III gemäß Aquakulturrichtlinie)
Für Seuchen der Kategorie E, zu denen auch die KHV-I gehört, ist keine Kategorisierung der Aquakulturbetriebe vorgesehen. Da in den meisten Aquakulturbetrieben, jedoch auch Fischarten gehalten werden, die für Seuchen der Kategorie C empfänglich sind, z.B. Hechte oder Salmoniden, erfolgt wie bisher diesbezüglich eine Kategorisierung.
Zugelassene Aquakulturbetriebe bedürfen der risikobasierten Überwachung. Diese umfasst jährliche amtliche Kontrollen durch das LÜVA sowie Tiergesundheitsbesuche (in Sachsen durch den Fischgesundheitsdienst der Sächsischen Tierseuchenkasse). Ziel ist die Erkennung von erhöhter Sterblichkeit und von gelisteten und neu auftretenden Seuchen. Die Mindesthäufigkeit der risikobasierten Tiergesundheitsbesuche wurde neu geregelt:
- Aquakulturbetrieb mit hohem Risiko mindestens einmal jährlich
- Aquakulturbetrieb mit mittlerem Risiko mindestens einmal alle zwei Jahre
- Aquakulturbetrieb mit geringem Risiko mindestens einmal alle drei Jahre
Die Risikoeinstufung erfolgt durch das zuständige LÜVA. Bei Tiergesundheitsbesuchen in Betrieben mit dem Gesundheitsstatus „seuchenfrei“, „Tilgungsprogramm“ oder „freiwilliges Überwachungsprogramm“ ist eine Probenahme für labordiagnostische Untersuchung obligatorisch.
Lebende Wassertiere dürfen nur verbracht werden, wenn sie klinisch unauffällig sind und aus Beständen stammen, in denen keine anormale Mortalität ungeklärter Ursache festgestellt wurde.
Grundsätzlich dürfen die zu verbringenden Tiere keinen niedrigeren Gesundheitsstatus aufweisen als im Empfängerbetrieb vorhanden ist. Verbringungen in Betriebe, die als seuchenfrei gelten oder einem Tilgungsprogramm unterliegen, sind nur aus Mitgliedstaaten, Zonen oder Kompartimenten (Aquakulturbetrieben) möglich, die von der betreffenden Seuche der Kategorie C als frei erklärt wurden. In diesen Fällen muss die Lieferung von einer Veterinärbescheinigung begleitet werden. Hierzu kann in Zukunft der bekannte, jedoch modifizierte Anlagenpass (Anlage aus der Fischseuchenverordnung) verwendet werden. Verbringungen zwischen Betrieben, die das gleiche Tilgungsprogramm durchführen, können von der zuständigen Behörde genehmigt werden. Auch für Tiere, die eine Seuchensperrzone verlassen und in einen Seuchenschlachtbetrieb transportiert werden, ist eine Veterinärbescheinigung erforderlich.
Bei Verbringungen von Wassertieren, für die eine Tiergesundheitsbescheinigung erforderlich ist, in andere EU-Mitgliedstaaten ist der Tierhalter verpflichtet, dies der zuständigen Behörde vorab zu melden. Die Behörde meldet die geplante Verbringung über TRACES an die zuständige Behörde des Bestimmungslandes. In den Fällen, in denen eine Veterinärbescheinigung nicht erforderlich ist, ist eine Eigenerklärung durch den Tierhalter auszufüllen.
Die unmittelbaren Bekämpfungsmaßnahmen gegenüber den Kategorie A Wassertierseuchen (z.B. EHN, bisher in Deutschland nicht nachgewiesen) können u.a. Untersuchungen, Betriebssperren, vorläufige Bekämpfungsmaßnahmen, epidemiologische Untersuchungen, unverzügliche Bekämpfungsmaßnahmen, die Einrichtung von Sperrzonen, Bekämpfungsmaßnahmen in Sperrzonen und ggf. die Notimpfung umfassen. Auch Maßnahmen für wildlebende Fische sind vorgesehen.
Die optionale Bekämpfung der Wassertierseuchen der Kategorie C (z.B. VHS, IHN) hat in Betrieben zu erfolgen, die vor dem Seuchenausbruch als seuchenfrei anerkannt waren oder die an einem Tilgungsprogramm zur Erlangung des Status „seuchenfrei“ teilnehmen. Dazu können Untersuchungen, Betriebssperren, vorläufige Bekämpfungsmaßnahmen sowie Maßnahmen gemäß eines optionalen Tilgungsprogramms ergriffen werden. Maßnahmen für wildlebende Fische sind ebenfalls vorgesehen.
Für Wassertierseuchen der Kategorie E (KHV-I) ist keine amtliche Bekämpfung vorgesehen. Sie bleiben jedoch überwachungspflichtig, Verdacht und Nachweis müssen dem zuständigen LÜVA gemeldet werden. Auch die allgemeinen Pflichten des Tierhalters wie Führung eines Bestandsregisters, Meldung und Abklärung von Verlusten usw. bleiben unberührt. Zudem ist eine eigenverantwortliche Absicherung, beispielsweise durch Teilnahme am KHV-Überwachungsprogramm der Tierseuchenkasse empfehlenswert.
Neben der fachlichen Beratung der Tierhalter werden Tiergesundheitsbesuche, Probenahmen und Untersuchungen im Rahmen des KHV-Überwachungsprogramms (für KHV-I, Link) sowie des Fischseuchenbekämpfungsprogramms (für die übrigen Wassertierseuchen, Link) durch die Sächsische Tierseuchenkasse angeboten.
Informationen zum EU-Tiergesundheitsrecht sind auch beim zuständigen LÜVA zu erfragen.
Auszug aus den Rechts- und Informationsquellen